Die Lancet-Veröffentlichung von Shang et al.
Im August 2005 veröffentlichte die Fachzeitschrift The Lancet eine Studie1, die je 110 ähnliche homöopathische und schulmedizinische Studien verglich und zu dem Schluss kam, dass Homöopathie nicht besser wirke als ein Placebo.
Ein begleitender Leitartikel mit dem Titel „The end of homoeopathy“2 [Das Ende der Homöopathie] erregte starkes Medieninteresse.
Die Schlussfolgerungen dieser Studie basierten jedoch in Wirklichkeit auf nur acht der 110 Studien, von denen keine einzige die übliche homöopathische Behandlung zum Gegenstand hatte. Wenn man zudem nur eine einzige der acht Studien, die aus den 110 ausgesucht wurden, gegen eine andere austauscht, kehren sich die Ergebnisse um und zeigen, dass die Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus wirkt.3
Dies veranschaulicht, dass die Ergebnisse dieser Arbeit völlig unzuverlässig sind.
Die Abfolge der Ereignisse im Zusammenhang mit dieser Ausgabe von The Lancet, die darauf folgende politische Kontroverse sowie die wesentlichen Mängel der Shang-Studie selbst wurden in dem Artikel „Homeopathy and The Lancet“3 zusammengefasst.
Eine Veröffentlichung mit anhaltenden globalen Auswirkungen
Die Arbeit von Shang et al. ist heute berüchtigt, denn trotz derart grundlegender Mängel wird sie bis zum heutigen Tag fälschlicherweise als endgültiger „Beweis“ dafür zitiert, dass die Homöopathie nicht wirke. Beispielsweise konstatierte Ben Goldacre, britischer Arzt, akademischer und wissenschaftlicher Autor, („Pharma Chameleon“, New Europe, Ausgabe 93 vom 17. April 2011):
„Es wurden inzwischen mehr als 100 Studien zum Thema Homöopathie durchgeführt. Bei jeder medizinischen Behandlung ist nach 100 Studien, die keinen vorteilhaften Gesamtnachweis für einen Nutzen erbringen konnten, der Punkt gekommen, an dem ein vernünftiger Mensch ohne eigennütziges Interesse an dieser bestimmten Behandlungsweise laut und deutlich erklären würde: „Es sollte kein Geld mehr für die Erforschung dieser Sackgasse ausgegeben werden“
Die wichtigsten Fakten von Shang et al.
- Obwohl diese Studie 110 homöopathische Einzelstudien und 110 vergleichbare schulmedizinische Studien umfasste, wurden die Schlussfolgerungen auf nur acht homöopathische und sechs schulmedizinische Studien gestützt, die als „größere, qualitativ höherwertige Studien“ bezeichnet wurden.
- Wären alle 21 homöopathischen Studien, die von Shang et al. als qualitativ höherwertig identifiziert wurden, analysiert worden, hätten sie das gegenteilige Ergebnis erhalten – nämlich, dass die Homöopathie eine Wirkung hat, die über den Placebo-Effekt hinausgeht.10 Es wurde nicht begründet, wieso die anderen 13 qualitativ hochwertigen Studien außer Acht gelassen wurden, nur weil sie kleiner waren.
- Die Studie enthält keine „Sensitivitätsanalyse“, d. h., wenn man nur eine einzige der acht homöopathischen Studien, die aus den 110 ausgewählt wurden, gegen eine andere austauscht, erhält man das gegenteilige Ergebnis, nämlich, dass die Homöopathie besser wirkt als ein Placebo.4
- Alle acht verwendeten Homöopathie-Studien untersuchten eine nicht-individualisierte homöopathische Behandlung, d.h. allen Patienten wurde dasselbe Mittel verabreicht. Die Schlussfolgerungen dieser Studie haben daher keine Relevanz für die normale homöopathische klinische Praxis, die darauf beruht, nach eingehender Konsultation ein individuell auf den Patienten abgestimmtes Mittel zu verschreiben.
- In der Originalpublikation geben Shang et al. nicht an, welche acht Studien zur Homöopathie und welche sechs Studien zur Schulmedizin verwendet wurden. Ein derartiger Mangel an Transparenz und Präzision wird bei Studien in der Schulmedizin in der Regel nicht toleriert.6 Erst nach Protesten stellten die Autoren diese Informationen schließlich zur Verfügung.
- Die Shang-Arbeit, die nur Studien betrachtete, die bis zum Jahr 2003 veröffentlicht worden waren, ist heute veraltet; inzwischen gibt es neuere und aussagekräftigere systematische Übersichtsarbeiten.13
Die Ergebnisse der Shang-Arbeit
Die Forschungsergebnisse von Shang et al. lauten in der Zusammenfassung dieser Veröffentlichung wie folgt:
110 homöopathische Studien und 110 vergleichbare schulmedizinische Studien wurden analysiert. Die mittlere Studiengröße betrug 65 Teilnehmer (Bereich von 10 bis 1.573). 21 homöopathische Studien (19 %) und 9 schulmedizinische Studien (8 %) wiesen eine höhere Qualität auf. In beiden Gruppen zeigten kleinere Studien und solche von geringerer Qualität positivere Behandlungseffekte als größere und höherwertige Studien. Als die Analyse auf große Studien von höherer Qualität beschränkt wurde, betrug das Quotenverhältnis („Odds Ratio“ (OR)) 0,88 (95 % Konfidenzintervall (KI) 0,65 – 1,19) für Homöopathie (8 Studien) und 0,58 (0,39 – 0,85) für die Schulmedizin (6 Studien).
Wie zuverlässig sind diese Ergebnisse?
Die Rolle der Shang-Veröffentlichung in der Homöopathie-Debatte kann nicht genug betont werden, daher ist die Frage der Qualität und Zuverlässigkeit dieser Arbeit von größter Bedeutung.
Leider ist die schlechte wissenschaftliche Qualität der Arbeit offensichtlich, dies wurde auch bereits von Experten auf dem Gebiet der Homöopathieforschung3,4,5,6,7 sowie unabhängigen Wissenschaftler Prof. Hahn festgestellt. Letzterer hebt das Hauptproblem folgendermaßen hervor:
„Für die Schlussfolgerung, dass Homöopathie keine klinische Wirkung zeigt, mussten mehr als 90 % der verfügbaren klinischen Studien außer Acht gelassen werden.8
Prof. R. Hahn aus Schweden „hat nie Homöopathie praktiziert, erhalten oder studiert, aber in der klinischen Medizin gearbeitet und in den letzten 30 Jahren traditionelle medizinische Forschung auf den Gebieten der Anästhesiologie und Chirurgie durchgeführt.“ Seine Arbeit beschreibt detailliert, warum die Ergebnisse der Shang-Arbeit, die Studien zu einer Vielzahl von Krankheitsbildern umfasst, in wissenschaftlichen Kreisen üblicherweise nicht akzeptiert werden würden:
Das endgültige Argument gegen die Homöopathie ist der von Aijing Shangs Forschungsgruppe im Jahr 2005 veröffentlichte „Funnel Plot“. Dieser ist allerdings mangelhaft, wenn er auf verschiedene Krankheiten angewendet wird.8
Die Shang-Arbeit von 2005 ist mittlerweile hoffnungslos veraltet
Die Zuverlässigkeit der Analyse ist nicht das einzige Problem bei der Shang-Arbeit. Bei erneuter Betrachtung der Datenlage im Jahr 2018, müssen wir auch prüfen, wie gut diese Studie die Gesamtheit der heutigen Evidenzbasis reflektiert.
Die Studie von Mathie et al. aus dem Jahr 2014 ergab beispielswiese, dass bei homöopathischen Arzneimitteln, die während einer individualisierten Behandlung verschrieben werden, die Wahrscheinlichkeit einer positiven Wirkung im Vergleich zum Placebo 1,5- bis 2-mal höher ist.13.13